Die Dissertation „Beruf und Persönlichkeit“ ist Teil des SNF-Forschungsprojekts Dealing with Human Capital. Ihr Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass unterschiedliche Expertenkulturen über das gesamte 20. Jahrhundert hinweg Verfahren entwickelten, mit denen „Beruf“ und „Persönlichkeit“ einander zugeordnet wurden. Dabei wurden Wissensbestände zu beiden Bereichen aktiviert, miteinander abgeglichen und auf Passungen hin untersucht. Was eine Persönlichkeit ausmachte, liess sich über ihren Beruf (bzw. Berufswunsch) beschreiben. Umgekehrt liess sich ein Beruf über das Persönlichkeitsprofil definieren, das ihm zugeordnet wurde.
Im 20. Jahrhundert lässt sich ein grundsätzlicher Wandel dieser Zuordnungslogik beobachten: In der ersten Jahrhunderthälfte waren die entsprechenden Verfahren – Persönlichkeitstests, Berufsstatistiken, Ratgeberliteratur etc. – auf die Produktion gesellschaftlich-individueller Stabilität ausgerichtet. Mit dem Anspruch auf lebenslange Gültigkeit orientierten sie sich am Leitsatz vom „richtigen Mann am richtigen Platz“. Seit den 1960er-Jahren wurde das Verhältnis von Beruf und Persönlichkeit zunehmend flexibilisiert. Jetzt wurden ständige Weiterbildungen, berufliche Quereinstiege und Investitionen in das eigene Humankapital zum Merkmal einer flexiblen Berufsgesellschaft.
Um diesen Wandel zu untersuchen, fokussiert das Dissertationsprojekt auf Zuordnungsroutinen, mit denen einerseits soziale Normalität und andererseits gesellschaftliche Devianz erzeugt wurden. Einen ersten thematischen Schwerpunkt bilden Verfahren der Berufsberatung in der Schweiz. BerufsberaterInnen stützten sich bei ihrer Arbeit unter anderem auf psychologische Einzelgespräche, Berufsstatistiken und (seit den späten 1980er-Jahren) auf computerisierte Tests. Mit ihren beruflich-persönlichen Zuordnungsmodellen legitimierte sich die Berufsberatung als Expertenkultur, die Wissen zu individuellen Bedürfnissen (berufliche Eignung und Neigung etc.) mit Wissen über gesellschaftliche Verhältnisse (Arbeitslosenzahlen, Wachstumsraten usw.) verknüpfte.
Einen zweiten Fokus legt das Dissertationsprojekt auf beruflich-persönliche Zuordnungsmodelle aus dem Bereich der Devianz. Auch kriminologischen und psychiatrischen Konfigurationen des Devianten lässt sich ein Wandel von stabilen zu flexiblen berufsgesellschaftlichen Verhältnissen ablesen. Während etwa die Figur des Berufsverbrechers um 1930 noch am Ideal beruflicher Spezialisierung und stabiler Routine orientiert war, funktionierte der psychopathischen Managers um das Jahr 2000 als Testfall für die flexible Berufsgesellschaft, indem er einerseits als Bedrohung für den Humankapitalbestand von Unternehmen beschrieben wurde und andererseits als Vorbild für berufliche Aufsteiger.
Publikationen zum Thema der Dissertation